Bericht über die Veranstaltung: Weihnachten und Familie

In unserer Veranstaltung am 13.12.23 haben wir viel über Weihnachten und die Familie gesprochen. Dabei sind sowohl persönliche Erfahrungen als auch politische Einschätzungen Thema gewesen. Wir wollen ein paar der Gedanken mit euch teilen und freuen uns über weiteren Austausch zu dem Thema.

Bei einer kritischen Auseinandersetzung mit Weihnachten können die verschiedensten Themen herangezogen werden – Konsum, Feminismus, Ökologie und mehr. Für Familie haben wir uns entschieden, da sie zwar eine Form der Solidargemeinschaft ist, in vielerlei Hinsicht aber eine falsche und erzwungene. Wir als Solidarisch in Aktion möchten gerne eine andere, bessere Art der Solidargemeinschaft bilden und fördern.

Um familiäre Verhältnisse an Weihnachten zu kritisieren, muss allerdings zunächst die Familie als solche begriffen und kritisiert werden.
Die Familie ist in unserer Gesellschaft soziales Leitbild – also etwas, worauf Beziehungen fußen und für alle erstrebenswert sein soll. Wenn von Familie gesprochen wird, ist meist die so genannte Kernfamilie gemeint: Vater, Mutter, Kind(er). Hier gab es in den letzten 70 Jahren – als der Begriff Familie ins Grundgesetz aufgenommen wurde – zwar Veränderungen (z.B. die gleichgeschlechtliche Ehe), das Modell Familie ist aber weitgehend unangetastet geblieben.

In der Familie sollen Fürsorge, Existenzsicherung und Erziehung stattfinden. In anderen Worten: Fürsorge wird ins „Private“ verlagert und so werden die Bedingungen und das Vorhandensein dieser Fürsorge verschleiert. Auch die Existenzsicherung ist dadurch nicht Aufgabe der Gesellschaft – die Mutter der Familie sorgt dafür, dass niemand verhungert und der Vater sorgt dafür, dass das Geld reinkommt (damit niemand verhungert). Im Bereich der Erziehung wird das Bild beinahe noch drastischer: die Familie ist der Ort, an dem sich die herrschende Ideologie reproduziert, der Ort, an dem wir die Muster, die uns später krank machen erlernen und der Ort, der zurecht als „Keimzelle des Staates“ verstanden wird. Gleichzeitig werden in der Erziehung Klassenverhältnisse reproduziert: Eltern mit weniger Geld und Bildung können ihren Kindern eben weniger derartige Ressourcen zur Verfügung stellen.
Durch diese drei Säulen wird die gesellschaftliche Ordnung gestützt und in Teilen – zum Beispiel im Bereich Sorge – überhaupt erst ermöglicht.

Um die Familie wird eine mythische Erzählung gesponnen. Der Ort der Harmonie, die Menschen, auf die du dich immer verlassen kannst. Blut ist dicker als Wasser. Dieser Mythos führt (unter anderem) dazu, dass die Unterstellung, alle Menschen würden sich eigentlich Familie wünschen, für die meisten Menschen wahr wird.
Ein weiterer Grund hierfür ist die Tatsache, dass es in der Gesellschaft eben fast keine Solidarität und Fürsorgestrukturen gibt, außer der Familie. Die Gesamtgesellschaft ist geprägt von den Verhältnissen, die wir in der Lohnarbeit erleben. Als Gegenpol zur konkurrenzgeprägten Alltagswelt suchen Menschen dann die falsche Harmonie der Familie.

Gleichzeitig ist diese Harmonie völlig erfunden: innerhalb der Familie existiert trotzdem das Streben nach Erfolg, ebenso wie Konkurrenz. Geschwister konkurrieren darum, das beste Kind zu sein und die Person, die zuerst Kinder bekommt ist – wenn es innerhalb einer festen Beziehung passiert – die erfolgreichste.
Um das Bild eines harmonischen Miteinanders zu wahren, geht man sogar so weit, Werte und politische Überzeugungen aneinander anzugleichen – in nicht wenigen, eigentlich rassistischen Familien wird die nicht-weiße Beziehungsperson eines Kindes trotzdem akzeptiert, um nicht mit der Schande eines Kindes leben zu müssen, das sich von der Familie abwendet.

Also ist Weihnachten mit der Familie jetzt „unwoke“?
Unserer Meinung nach wäre das etwas verkürzt. Weihnachten wirkt wie ein Brennglas auf die familiären Verhältnisse. Für die meisten Menschen ist es total normal, an Weihnachten zur Familie zu fahren, obwohl sie keine Lust haben – einfach, weil man sich umso einsamer fühlt, wenn man Weihnachten allein verbringt und weil es unglaublich schwer ist, sich aus gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Neben der Kritik an der Familie und dem Druck, der durch die Weihnachtstraditionen enstehen, ist es wichtig anzuerkennen, dass sie aufgrund unserer Sozialisierung für viele Menschen von großer Bedeutung sind und einen wichtigen Rückzugsort bieten. Unser Ziel ist es, eine Gesellschaft zu schaffen, in der dieser Rückzugsort nicht ausschließlich auf Blutsverwandtschaft oder Heirat basiert. Stattdessen streben wir nach einer solidarischen Gesellschaft, in der Reproduktion und Fürsorge von allen übernommen werden.

Deshalb sind besonders an Weihnachten echte solidarische Alternativen wichtig.
Wir erleben oft, dass Alternativen zu Weihnachtsfeiern mit der Familie in noch reaktionärere Richtungen gehen als das familiäre Weihnachten – so zum Beispiel esoterische Rituale von Paganist*innen. Die meisten Alternativen ersetzen jedoch einfach die Familie mit einem vergleichbaren Zusammenhang – der Wahlfamilie.

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir weder Familienfeiern, noch Wahlfamilienfeiern brauchen. Wir brauchen einen Gegenentwurf zu einem christlichen Weihnachtsfest mit Menschen, zu denen wir in erzwungenen Beziehungen stehen.
Statt Weihnachtslieder mit der Familie zu singen, wollen wir Karaoke mit den Genoss*innen. Statt Weihnachtsgans mit gezwungenen Gesprächen wollen wir Buffets und Gelassenheit.
Stay tuned, vielleicht bis nächstes Weihnachten.